Roger Willemsen
„Zu den größten Glückszuständen gehört für mich der Zustand der Produktivität.“
Roger Willemsen (15. August 1955 – 7. Februar 2016) zählte zu Deutschlands bekanntesten und beliebtesten Intellektuellen. Er war Autor, Publizist, Moderator, Produzent und leidenschaftlicher Förderer aller Ausdrucksformen von Kunst und Kultur.
Geboren wurde Roger Willemsen in Bonn. Er studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in seiner Heimatstadt, in Florenz, München und Wien. 1984 promovierte er über die Dichtungstheorie Robert Musils. Fortan arbeitete Roger Willemsen als Schriftsteller und Journalist. Er führte über 2.000 Interviews, prägte das Fernsehen und die deutschen Bühnen, er machte Radio und schrieb Bücher, die fast ausnahmslos zu Bestsellern wurden. Roger Willemsen hinterlässt ein einzigartiges künstlerisches und intellektuelles Werk.
Der Schriftsteller
1987 veröffentlichte Roger Willemsen sein erstes literarisches Buch „Figuren der Willkür“ und wurde Schriftsteller. Als er sich 2002 aus dem Medium Fernsehen weitgehend zurückzog, trat das Schreiben auch für die öffentliche Wahrnehmung wieder ganz in den Vordergrund. Im Januar 2002 erschien sein Buch „Deutschlandreise“. Sämtliche der nun folgenden Buchveröffentlichungen Willemsens fanden ein breites Publikum, darunter insbesondere Gesprächsbücher wie „Hier spricht Guantánamo“ (2006), sein Buch „Afghanische Reise“ (2006), die Trilogie „Der Knacks“ (2008), „Die Enden der Welt“ (2010) und „Momentum“ (2012) sowie sein letztes großes Buch „Das Hohe Haus. Ein Jahr im Parlament“ (2014).
Hier finden Sie eine vollständige Bibliographie.
Moderation
Von 1991 bis 2002 prägte Roger Willemsen das deutsche Fernsehen. Seine TV-Karriere startete 1991 bei Premiere mit dem täglichen Interviewmagazin „0137“; 1993 folgte „Willemsen – Das Fernsehgespräch“. Zeitgleich entstanden filmische Porträts u.a. über König Hussein von Jordanien, Dame Edna Everage, Carlos Menem und Lech Wałęsa. Von 1994 bis 1998 moderierte Willemsen „Willemsens Woche”. Ab 1999 porträtierte er für das ZDF in „Willemsens Zeitgenossen“ sowie „Willemsens Musikszene“ Persönlichkeiten wie Quincy Jones, Vivienne Westwood, Philippe Starck, Sophie Marceau, John Malkovich, Gisèle Freund, Robert Altman oder Wynton Marsalis, Pierre Boulez, Herbie Hancock, Chick Corea, Sting, Dee Dee Bridgewater, Papa Wemba, Kurt Masur, Gidon Kremer, Woody Allen, Prince und Isaac Stern. Roger Willemsen war zeitweilig Moderator von „Aspekte“ und moderierte von Februar 2004 bis Juli 2006 den „Literaturclub” des Schweizer Fernsehen.
Produktionen
1993 gründete Roger Willemsen die Produktionsfirma NOA-NOA. Er produzierte und koproduzierte fortan Dokumentationen, Interviewformate, Themenabende und Gala-Veranstaltungen. Sein Debüt als Regisseur gab er mit dem Dokumentarfilm „Non Stop – Eine Reise mit Michel Petrucciani”, der in 13 Ländern ausgestrahlt wurde. Es folgten „Timothy Leary – Der letzte Trip”, „Gerhard Schröder – Vom Kandidaten zum Kanzler”, „Bordelle der Welt”, „Der Literaturpapst – Film zum 80. Geburtstag von Marcel Reich-Ranicki” sowie „Welcome Home. Künstler über Deutschland”.
Meister der Bühne
Roger Willemsen liebte die Bühne und sein Publikum. Er entwickelte literarische und literarisch-musikalische Bühnenprogramme und Veranstaltungsreihen, u.a. mit den Musikerinnen Isabelle Faust, Anne-Theresa Moeller, Anna und Ines Walachowski, mit Daniel Hope, Frank Chastenier, mit den Berliner Philharmonikern, dem Münchener Rundfunkorchester, der NDR Radiophilharmonie Niedersachsen, dem Ensemble Resonanz, dem Ensemble Disinvolto und der WDR Bigband. Hinzu kamen monothematische Literatur- und Musiksendungen für den Hörfunk, darunter „Die guten Deutschen” (Radio Bremen), die Jazz-Sendung „Gefühlsausbrüche” (WDR 5), „SpielArt” (WDR 5) und „Roger Willemsen legt auf“ für NDR Kultur.
Humorist und Essayist
Ab 2005 ging Willemsen mit dem humoristischen Erzählprogramm „Und du so?” in Deutschland und der Schweiz auf Tour. Ab März 2007 bis zu dessen Tod 2013 stand er mit Dieter Hildebrandt und „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. Die Weltgeschichte der Lüge” auf großen Bühnen. Im Frühjahr 2011 feierte er mit Anke Engelke die Premiere seines Programms „Mir kocht die Blut“. Mit dem Bühnenprogramm zu „Das Hohe Haus“ ging Roger Willemsen ab 2014 mit Annette Schiedeck und Jens-Uwe Krause auf Tour. Parallel zu allem Schaffen war Roger Willemsen stets als Essayist aktiv. Seine kulturkritischen Beiträge veröffentlichte er in unterschiedlichen Medien, darunter „Die Zeit”, das „Zeit-Magazin”, „Der Spiegel”, „Transatlantik”, „Süddeutsche Zeitung”, „Du” sowie die „Neue Zürcher Zeitung”.
Der Humanist
Zeit seines Lebens engagierte sich Roger Willemsen für die Förderung von Nachwuchskünstlern und setzte sich für eine humanere Welt und Gesellschaft ein. Er engagierte sich zehn Jahre lang als Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins e.V. Er setzte sich am Hindukusch für den Bau von Brunnen ein sowie für eine bessere medizinische Versorgung und Bildungschancen für Mädchen. Willemsen reiste mehrfach nach Afghanistan und entwickelte große Benefiz- und Informationsabende zu diesem ihm besonders am Herzen liegenden Land. Darüber hinaus war er Botschafter von Amnesty International, er unterstützte terres des femmes und engagierte sich für die Hilfsorganisation CARE.
Roger Willemsen war erst Schirmherr und dann Programmleiter des Mannheimer Literaturfestivals Lesen.Hören und unterstützte die LitCologne durch seine programmatischen Ideen. Als Gastprofessor unterrichtete er an der Ruhr-Universität Bochum; an der Humboldt-Universität Berlin war er Honorarprofessor.
Auszeichnungen
Roger Willemsen wurde mehrfach ausgezeichnet.
Unter anderem erhielt er
- den Grimme-Preis in Gold
- den Bayerischen Fernsehpreis
- den Preis der ENIT für das beste Italien-Buch des Jahres 2000
- die Empfehlung von PEN International für die englische Ausgabe der „Afghanischen Reise“
- den Rinke-Preis 2009 für „Der Knacks”
- den ITB Buch Award 2010 für „Die wundersamen Irrfahrten des William Lithgow”
- den Felix-Rexhausen-Preis (gemeinsam mit Michael Lohse und Günter Frorath) für die SpielArt-Ausgabe „Er sucht ihn”
- den Julius-Campe-Preis 2011
- den Deutschen Hörbuchpreis 2015 in der Kategorie bestes Sachhörbuch für „Das Hohe Haus“
- den Prix-Pantheon-Sonderpreis für soziales Engagement
- die Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft 2015